Musikreviews.de bei Facebook Musikreviews.de bei Twitter

Partner

Statistiken

Tillison Reingold Tiranti (TRT): Allium: Una Storia (Review)

Artist:

Tillison Reingold Tiranti (TRT)

Tillison Reingold Tiranti (TRT): Allium: Una Storia
Album:

Allium: Una Storia

Medium: CD
Stil:

Progressive Rock, Italo-Prog

Label: Reingold Records/Just For Kicks
Spieldauer: 78:51
Erschienen: 27.08.2021
Website: [Link]

Das ganze Album ist eine einzige Täuschung – und was für eine!
Eigentlich sind Täuschungen dazu da, seinen Gegenüber reinzulegen, um daraus einen eigenen Vorteil zu ziehen.
Doch diese Täuschung namens TRT (Nein, nicht TNT!) ist einzig und allein dazu da, alle progressiven Musikfreunde und musiktheoretischen Freiturner oder Retro-Heads sowie Italo-Prog-Enthusiasten rundum zu begeistern und ihnen etwas vorzustellen, wovon die meisten noch nie gehört haben, aber längst hätten hören sollen.

Schon der Löwenzahn, aus dem bekanntlich eine Pusteblume wird, und der wie auf dem im 70er-Jahre-Stil gestalteten Cover eigentlich einem Baum sehr ähnelt, wenn man nicht genau hinsieht, ist die erste Täuschung.
Doch die größte steht uns noch bevor!
Denn wenn man die klangvollen Namen Andy TILLISON (T), natürlich bekannt von TANGENT, BIG BIG TRAIN und Po90, Jonas REINGOLD (R) von den FLOWER KINGS und KARMAKANIC sowie Roberto TIRANTI von den NEW TROLLS und LABYRINTH liest, erwartet man eigentlich ein modernes Prog-Album irgendwo zwischen TANGENT, SPOCK'S BEARD, KAIPA und/oder FLOWER KINGS, aber doch nicht sowas: ein Italo-Prog-Konzept-Album der eigenartigsten Herkunft, das weit in die Siebzigerjahre zurückgeht und ein großes Geheimnis in sich trägt und noch dazu um italienische Exil-Albaner dreht.
Höchste Zeit, diese herrliche(n) Täuschung(en) aufzuklären.

Dabei kann uns der Untertitel des Albums schonmal weiterhelfen und nicht passender gewählt sein: „Hommage an eine Band, deren Zeit niemals kam“. Eine Aussage, die JONAS REINGOLD mit einer Frage an ANDY TILLISON im Inneren des Digipak verbindet, konkretisiert das Ganze noch: „Meinst du, wir sollten ein Tribute-Album zu einer Band machen, die niemand kennt und die während ihres Bestehens keinerlei Erfolg hatte? Auch kommt sie aus einem fremden Land, dessen Sprache wir nicht verstehen, geschweige denn sprechen? … Großartige Idee! Also packen wir's an!“

TRT (Tillison, Reingold, Tiranti) wurden so, bedingt, begrenzt und eingeschränkt von der Pandemie, zu einem europäischen Progressive-Rock-Projekt, das 2021 digital in Italien, Österreich und Großbritannien zusammenkam, um dieses ungewöhnliche 'Tribute'-Album aufzunehmen, das von der italienischen Progressive-Musik-Szene nicht nur inspiriert ist, sondern ein nie veröffentlichtes Konzept-Album der Italo-Progger ALLIUM (Roberto De Sarno: Vocals / Afrim Tanush: Keyboards / Januz Rexhepi: Bass / Kostadin Bequeri: Guitars / Petrit Haxriu: Drums) zum Inhalt hat, das in den Frühsiebzigern entstand, niemals auf Tonträger veröffentlicht wurde und nun, 48 Jahre später, gleich in zwei unterschiedlichen Mix-Versionen (eine von Tillison, die andere von Reingold) von TRT vollendet und komplett eingespielt wird.

Spannend ist hierbei natürlich auch die Geschichte der Band und wie es zu dem Zusammentreffen zwischen ALLIUM und ANDY TILLISON – offensichtlich der Initiator dieses Albums und Bandprojekts – kam:
Im Jahr 1973 floh eine Gruppe albanischer Musiker vor dem diktatorischen Regime, um im benachbarten Italien zu musizieren. Sie arbeiteten in den Ferienlagern, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, und sangen zeitgenössische Popsongs für die Touristen. Aber in ihrer Freizeit konzentrierten sie sich auf das Schreiben und Aufnehmen ihres Traumalbums mit Progressive Rock, welches ausschließlich ihren eigenen musikalischen Interessen entsprach.
1976, als Tillison noch im Teenager-Alter war, fuhren seine Eltern mit ihrem 16-jährigen Jüngling auf einen Europa-Urlaub, bei dem sie viele unterschiedliche Länder besuchten, auch Italien, wo er auf einem großen Zeltplatz in der Nähe von Rom auf ALLIUM traf, wobei ihm auch das Album „Per Un Amico“ von PFM sehr hilfreich war (Genaueres dazu liest man am besten im Booklet zu „Allium: Una Storia“ nach!): „Ein Nachmittag, den ich mit dieser Band verbracht habe, war genug, um meine Karriere für den Rest meines Lebens zu entscheiden. Es war das erste Mal, dass ich einen Synthesizer sah und anfasste; es war das erste Mal, dass ich eine progressive Elektro-Band spielen sah. Es war ein goldener Moment in einem Ferienlager in Italien, der jede Aufnahme, die ich in den letzten 46 Jahren gemacht habe, beeinflusst hat.“
Tillison darf sogar noch während der Probe mit ALLIUM jammen und bekommt als ein Dankeschön dafür eine Kassette der Band mit dem Album, das „noch nicht abgeschlossen ist“ (und seitens ALLIUM auf ewig unabgeschlossen bleibt) und für Tillison erst der Soundtrack seines Urlaubs und dann seines Musikerlebens werden sollte. Seitdem ließ das schlicht als „Allium“ betitelte Italo-Prog-Album, das natürlich typische Züge solcher Bands wie PFM, BANCO, AREA oder MUSEO ROSENBACH trägt, Tillison nie wieder los, selbst als er es durch ein blödes Missgeschick verlor. In seinem Kopf jedenfalls blieb es weiterhin lebendig. Bis hin zur Pandemie, in der ja nunmehr bekanntermaßen die seltsamsten und zugleich bei Künstlern ungeheuer kreativen Ideen entstehen.

So sollte Jahrzehnte später ein Album entstehen, welches ganz ähnlich wie Tillisons abhanden gekommenes ALLIUM-Tape klingen und noch dazu in den (natürlich italienischen) Texten, verfasst von Antonio De Sarno und gesungen von Roberto Tiranti, die Geschichte der Albaner, welche in Italien Exil suchten, erzählt und zugleich eine große Hommage nicht nur an die unbekannte Band, sondern auch den Italo-Prog in seiner Gänze ist.
Damit war auch TRT geboren, um mit einer hehren Prog-Botschaft im Italo-Retro-Gewand, die in jeder einzelnen Note zu überzeugen versteht, einer Band zu huldigen, die niemand kennt und ihr ein Denkmal setzt sowie in zwei unterschiedlichen Mixen, dem ersten deutlich dem Sound der Siebziger angepasst, dem zweiten mit modernster Technik auf High-End-Klang, voller voluminöser Bässe und kristallklarer Höhen, getrimmt, auf „Allium: Una Storia“ ihr nie zu Ende gebrachtes Album vollendet.

Eine riesige Täuschung, nicht wahr?
Aber nicht im entferntesten eine Enttäuschung!
Sondern ein progressive Vision, die auf der längst vergessen scheinenden Vergangenheit basiert und kongenial in der Gegenwart, einem Wunder gleich, umgesetzt wurde und aus dem musikalischen Bäumchen, das 48 Jahre zuvor gepflanzt, aber nie gepflegt wurde, einen riesigen Baum, der voll im progressiven Saft inmitten Italiens steht, wachsen zu lassen.
Ein nie dagewesene Prog-Geschichte, die ungemein an „Searching For Sugar Man“ erinnert und beinahe genauso faszinierend ist, auch wenn sie noch nicht verfilmt wurde.
Vielleicht sollten wir uns alle auf die Suche nach ALLIUM begeben!

FAZIT: Eine der wohl ungewöhnlichsten Ideen wohnt diesem Italo-Prog-Album „Allium: Una Storia“ von Tillison Reingold Tiranti (kurz TRT) inne, in dem auf Tillisons Anregung hin ein Album der völlig unbekannten albanischen Band ALLIUM, die Tillison als Jugendlicher durch Zufall bei einem Italien-Urlaub kennenlernte und die nur ein nie zu Ende gebrachtes Album auf Kassette besaß, von dem hochkarätigen TRT-Projekt eingespielt wird. Mit einem unfassbar überzeugenden Ergebnis, das noch dazu als ein 'älter klingender Siebziger'-Mix von Tillison und ein moderner 'Neuzeit'-Mix von Reingold die ganze Bandbreite des frühen Italo-Prog auslotet und in den italienischen Texten konzeptionell die Geschichte der Albaner im italienischen Exil erzählt.

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 3296x gelesen, veröffentlicht am )

Unser Wertungssystem:
  • 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
  • 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
  • 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
  • 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
  • 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
  • 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
[Schliessen]
Wertung: 14 von 15 Punkten [?]
14 Punkte
Kommentar schreiben
Tracklist:
  • „Original“-Mix (Andy Tillison)
  • Mai Tornare
  • Ordine Nuovo
  • Nel Nome di Dio
  • „2021“-Mix (Jonas Reingold)
  • Mai Tornare
  • Ordine Nuovo
  • Nel Nome di Dio

Besetzung:

Alle Reviews dieser Band:

Interviews:
  • keine Interviews
(-1 bedeutet, ich gebe keine Wertung ab)
Benachrichtige mich per Mail bei weiteren Kommentaren zu diesem Album.
Deine Mailadresse
(optional)

Hinweis: Diese Adresse wird nur für Benachrichtigungen bei neuen Kommentaren zu diesem Album benutzt. Sie wird nicht an Dritte weitergegeben und nicht veröffentlicht. Dieser Service ist jederzeit abbestellbar.

Captcha-Frage Welches Tier bellt?

Grob persönlich beleidigende Kommentare werden gelöscht!